Tagung der Evangelischen Akademie im Rheinland, Bonn
Bericht und Dokumentation von der Tagung „Mittendrin“
Senioren als politische Gestaltungskräfte vor Ort
27. bis 28. Juni 2011

Die Tagung wurde in Kooperation mit dem Sozialwissenschaftlichen Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und dem Evangelischen Seniorennetzwerk Rheinland-Westfalen-Lippe (ESW-RWL) e.V. durchgeführt.

 Nach der Begrüßung durch Landespfarrer Peter Mörbel und Dr. Erika Neubauer gab es zunächst „Thematische Anspielszenen“ der Senioren-Theatergruppe der Arche, Meckenheim, zum Thema „Das Beste kommt zum Schluss“.

Der Eröffnungsvortrag von Prof. Gerhard Wegner (Sozialwissenschaftliches Institut der EKD) mit dem programmatischen Titel „Das andere Alter“ begann mit dem SPIEGEL-Zitat: „Pest, Hunger und Krieg sind glücklich überwunden, doch jetzt kommen die Alten“. Seine Analyse der Chancen und Probleme der älter werdenden Gesellschaft fasste er in fünf Thesen zusammen: (1) Die Gesellschaft wird altersindifferenter. (2) Das Alter pluralisiert sich und wird ungleicher. (3) Bilder vom Alter wirken in der Regel verstärkend und bestätigend. (4) Die wichtigste Zukunftsfrage ist: Wofür wird das längere Leben genutzt? (5) Im Alter neu werden können! (siehe unten: Auszüge aus dem Referat von Gerhard Wegener "Das Alter veraltet")

Das religiöse und kirchliche „Altersbild“ muss sich von einer Mortalitäts- zu einer Natalitätsorientierung wandeln. Er schloss mit der Feststellung, dass ältere Menschen nicht religiöser und kirchlicher geprägt sind als jüngere, wie man vermuten könnte. Vielmehr scheint die längere Lebenserwartung eher eine neue Ebene säkularisierter Welterfahrung zu ermöglichen, die für Theologie und Christentum zu einer massiven Konkurrenz werden kann.

  Podium

Das Podium: v.l.n.r.: Bürgermeister Bert Spilles (Meckenheim), Vikarin Miriam Haseleu, Ministerrialdirektor Dieter Hacker (BMFSFJ, Prof. Gerhard Wegner (Moderation), Dr. Erika Neubauer (ESW)

Es folgten Kurzreferate von Gabriele Winter (Diakonie RWL) zu älteren Menschen in der Gemeinde, Prof. Karl Foizik (Neuendettelsau) zu Gemeindepädagogischen Anregungen und KR Joachim Müller-Lange (EKiR) zu Zielen kirchlicher Seniorenpolitik. Nach dem Abendessen fand ein Podiumsgespräch statt zum Thema „Mittendrin! - Mittendrin? Senioren in Kirche und Nachbarschaft“. Teilnehmer waren Ministerialdirektor Dieter Hackler (BMFSFJ), Vikarin Miriam Haseleu, Dr. Erika Neubauer, Bürgermeister Spilles (Meckenheim) und Prof. Gerhard Wegner. In diesem Zusammenhang fasste Hackler die Situation wie folgt zusammen: „Bleibt abzuwarten, ob und wann unsere Kirche und die Gemeinden den Schatz der älteren Menschen als Akteure aufgreifen und ob unsere Gemeinden mit den älteren Menschen im Sinne der Handreichung der EKD „im Alter neu“ werden. Gerade für Senioren sollten mehr neue Wege für Selbst- und Mitverantwortung in der Zivilgesellschaft auch über Familiengrenzen hinaus geebnet werden“. Der Abend endete mit dem Kirchenkabarett Klüngelbeutel (Köln) zu „Szenen einer Ehe“.

Am nächsten Tag referierte Gerrit Heetderks (Evangelisches Zentrum für Innovative Seniorenarbeit, Düsseldorf) über Politische Partizipation und bürgerschaftliches Engagement von Seniorinnen und Senioren. Es folgten fünf parallele Workshops, bei denen auch das Seniorennetzwerk RWL vertreten war. Heinz Thoma und Martin Schofer leiteten den gut besuchten Workshop „Tu was“ - Ehrenamt zwischen Selbsthilfe und Freiwilligendienst. Den abschließenden Vortrag zu „Perspektiven kirchlicher Seniorenarbeit“ hielt KR Joachim Müller-Lange. Nach einer Analyse der Veränderung der Altersbilder in der Kirche seit 1950 entwickelte er thesenartig ein Programm, das für die zukünftige Arbeit ausdrücklich den Bereich der aktiven Senioren vorsieht. Dazu stellte er fest: Die Leuchttürme „innovativer Seniorenarbeit“ stehen noch weit auseinander und die Infrastruktur für Multiplikatoren für innovative Seniorenarbeit steht noch in den Anfängen (in 20 von 38 Kirchenkreisen gibt es z.B. noch keinen Synodalbeauftragten für Senioren). Vor allem müssen starke Netzwerke von Multiplikatoren aufgebaut und unterstützt werden.

Die Leiter es Workshops "Tu was" - Ehrenamt zwischen Selbsthilfe und Freiwilligendienst:
Heinz Thoma und Martin Schofer (beide Vorstand Ev. Seniorennetzwerk RWL

Insgesamt ist festzuhalten, dass die Tagung bei allen Beteiligten als erfolgreich und sehr anregend erlebt wurde.

(Text und Fotos: Prof. Dr. Walter Neubauer)

zu dem Referat von Gerhard Wegener "Das Alter veraltet"

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